SGML Europe 98

22.06.98

Ursula Raithelhuber, UB MEDIA Verlag GmbH, St. Wolfgang

online von Derrek Erhold

[english version]

Das Wetter in Paris war herrlich. Dennoch war der Saal, in dem die Eröffnungsveranstaltung stattfand, mit annähernd 1000 Konferenzbesuchern voll besetzt.

Herausragend war Jon Bosak, der übrigens eine real existierende XML Anwendung als Vortragspräsentation mitgebracht hatte.

Er zeigte, daß durch Anwendung von XML in Verbindung mit Style Sheets das Publizieren aus einer Quelle möglich ist.

Was aber noch viel wichtiger ist: Jon Bosak zeigte sowohl die sozialen als auch die ökonomischen und politischen Implikationen einer dank XML von proprietären Formaten befreiten Dokumentenwelt auf. Dies heißt für ihn: Die Vorherrschaft großer Firmen und selbst mächtiger Staaten wird beendet sein, wenn die Anwender die Chance wahrnehmen, ihre Daten in "wahren" standardbasierten Systemen zu halten, zu bearbeiten und zu publizieren.

Zitat Jon Bosak:

"An end to domination of the market by a few big companies"

"An end to domination of the market by a few big countries"

Als Vorteil von XML gegenüber SGML wird gesehen, daß durch den Verzicht auf Ausnahmeregelungen für XML-Strukturen die Softwareentwicklung für Parser, Browser, Editoren und Konvertierungstools wesentlich einfacher ist. Allerdings gibt es sicher noch genug Anwender, die es trotz einer vereinfachten Softwareentwicklung vorziehen werden, kommerzielle Lösungen zu nutzen. Die Gefahr, die hier allerdings besteht, ist daß Anwender denjenigen Firmen "auf den Leim gehen", welche zwar vorgeben, standardbasierte Systeme anzubieten, diese aber doch mit proprietären Formaten verknüpfen, so daß die Vorteile des standardbasierten Formats dahin sind. Es ist also Vorsicht geboten. Man wird als Anwender auch weiterhin nicht umhin können, die Versprechungen der Softwareanbieter einer genauen Prüfung zu unterziehen.

Jean Paoli, Vertreter einer "big company", nämlich Microsoft, zeigte als Weltneuheit, daß Daten in den Anwendungen von Office '98, welches als Beta Version im Sommer verfügbar sein soll, auf HTML/XML-Basis gehalten werden. Das war in der Tat interessant.

Tim Bray hielt eine fulminante, und wohl auch die längste aller bisher stattgefundenen Abschlußreden der SGML Europe Konferenz. Die Rede stand unter dem Motto: What isn`t a document ? Die Antwort war natürlich, daß annähernd alle Zusammenstellungen verschiedenartiger Daten als Dokument betrachtet werden können.

Tim Bray verglich die Entwicklung von SGML mit derjenigen des Jazz, welcher langsam und eher im Hintergrund seine Anhänger gefunden hat, während XML wie Rock`n Roll fast über Nacht zum Erfolg wurde. Bray suchte dann auch noch die mit diesen Entwicklungen verknüpften Personen und verglich sich mit Miles Davis, Jon Bosak mit John Lennon.

So nebenbei schlug Tim Bray eine neue Bezeichnung für unseren Berufsstand vor: Document Architect.

Fazit der SGML Europe `98: XML: Es bleibt spannend.

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